LIEBE MACHEN
Portraits und Interviews
veröffentlicht auf bento und Spiegel Online, August 2018
Charlotte, 26
Wir führen eine Fernbeziehung, ich wohne in Münster und Carl in Bonn. Nun haben wir uns seit zwei Wochen nicht gesehen, und hätten wir dieses Wochenende keinen Sex gehabt, hätte etwas gefehlt. Für mich ist Sex ein ganz intimes Erlebnis, das ich mit Carl teile und uns auf einer anderen Ebene verbindet. Unser Sex dauert lange, wir nehmen uns Zeit dafür. Ich mag langsamen Sex mit Gefühl, das Vorspiel spielt eine wichtige Rolle für uns. Wenn wir intim sind, entsteht ganz viel Nähe und Geborgenheit in unserer Beziehung.
Carl, 27
In einer Beziehung spielt Intimität auf jeden Fall eine große Rolle, ohne würde es für mich nicht funktionieren. Wobei es sich natürlich verändert hat: Als wir vor einem Jahr zusammen gekommen sind, hatten wir am Tag mehrmals Sex. In dem Maße ist es jetzt nicht mehr, aber noch immer sehr regelmäßig. Es kommt einfach darauf an, wie oft wir uns sehen und wie viel Zeit und Lust wir haben. Im nächsten Monat werden wir zusammenziehen und ich bin gespannt, wie diese Veränderung unsere Sexualität und Beziehung beeinflussen wird.
Dennis, 27
Wir reden sehr viel über Sex und unsere Wünsche, das finde ich wertvoll in unserer Beziehung. Wir sind beide an BDSM interessiert und beschäftigen uns viel mit unserer Sexualität, gehen oft in Sexshops und experimentieren gerne rum. Vor einem Jahr waren wir für drei Monate getrennt, weil wir uns ausleben wollten. Dabei merkten wir allerdings, dass wir gemeinsam glücklicher sind. Deshalb wollen wir nun unsere Beziehung öffnen: Sprich, uns gegenseitig die Freiheit geben, auch mit anderen schlafen zu dürfen. Wir wollen zusammen sein, ohne uns einzuschränken. Bisher ist es noch nicht passiert, aber mal schauen was kommt. Auch an Paarsex sind wir interessiert und hatten schon einen Dreier mit einer anderen Frau. Solche gemeinsamen Experimente sehe ich für uns auch häufiger in Zukunft, als dass wir regelmäßig unser eigenes Ding machen werden.
Afrodite, 23
Sex spielt eine sehr große Rolle in unserer Beziehung, wenn nicht sogar die Größte. Aber auch für mich persönlich ist Sex sehr wichtig. Wir lieben uns und wollen zusammen sein, aber wir sind auch jung und wollen uns ausleben. Deshalb ist es wichtig und gut, dass wir ehrlich über das Thema sprechen und uns nun auf eine offene Beziehung einlassen wollen. Dabei sind klare Regeln wichtig, um zu vermeiden, dass einer von uns verletzt wird. Unsere Vereinbarung ist, dass wir uns alles erzählen, aber erst nachdem es passiert ist. Wir jobben beide in Clubs hinter der Theke, und wenn ich bei der Arbeit wüsste, dass Dennis gerade mit einer andere Frau beschäftigt ist, würde ich mit der Vorstellung wahrscheinlich nicht klar kommen. Wenn er aber danach zu mir kommt und offen darüber spricht, was er in der letzten Nacht erlebt hat, würde ich mich vermutlich sogar für ihn freuen. Bei unserer Vereinbarung geht es aber nicht zwangsweise um Sex, sondern auch darum, beim Feiern flirten zu können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Lily, 23
Maíra und ich kennen uns aus Boston, wo ich wohne und sie letztes Jahr für ihre Doktorarbeit geforscht hat. Als sie zurück nach Deutschland flog, war es ein großer Schritt, sich auf eine derartige Fernbeziehung einzulassen. Trotzdem war für uns klar, dass wir das zwischen uns nicht beenden können und wollen. Meine erste Beziehung hatte ich mit einem Mann, danach waren es verschiedene Affären mit Männern und Frauen, Maíra ist meine erste Freundin. Ob ich jemanden interessant und attraktiv finde, hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Wir sind beide sehr körperliche Menschen und Sexualität spielt eine wichtige Rolle in unserem Leben und unserer Beziehung. Wenn wir uns besuchen, nehmen wir uns Zeit füreinander und lassen uns komplett aufeinander ein. Dementsprechend verbringen wir auch viel gemeinsame Zeit im Bett und lieben uns, was in unserem normalen Alltag so nicht funktionieren würde. Eine Fernbeziehung ist natürlich nervig, aber das Gute ist, dass wir die Zeit, die wir gemeinsam haben, bewusst nutzen und intensiv erleben.
Maíra, 25
Wir sind nun seit einem Jahr zusammen, haben uns aber in dieser Zeit insgesamt nur ungefähr vier Monate gesehen. Es ist normal, dass in der Zwischenzeit körperliche Nähe fehlt, weshalb wir die Entscheidung trafen, uns gegenseitig den Freiraum für andere sexuelle Kontakte zu geben. Das ist keine optimale Lösung und tut manchmal weh, aber für uns ist es der Weg, so ehrlich wie möglich miteinander umzugehen. In der Zeit, in der wir uns nicht sehen, skypen wir ungefähr vier mal pro Woche. Neben der langen Distanz ist auch die Zeitverschiebung sehr kompliziert: Meistens skypen wir, wenn es bei Lily Mitternacht und bei mir sechs Uhr morgens ist. Es ist merkwürdig, dass wir quasi an unterschiedlichen Tagen miteinander sprechen, Lilys ist gerade zu Ende und meiner beginnt. Dafür verbringen wir mehr Zeit mit ehrlichen Gesprächen, als es andere Paare meist tun. Wenn wir skypen, konzentrieren wir uns nur aufeinander und sprechen über unsere Gefühle und Gedanken, weil es alles ist, was wir miteinander teilen können. Manchmal schreiben wir uns Briefe, weil es persönlicher und besonderer ist, als sich Emails zu schreiben.